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Und ich sage, dieses Loch ist Kunst

Und ich sage, dieses Loch ist Kunst

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H-Leben-Stiftung
2016-05-19 03:11
-- Source: welt.de/kultur/kunst-und-architektur/article140084472/Und-ich-sage-dieses-Loch-ist-Kunst.html
Was nichts ist, hat auch keinen Wert. Jedenfalls keinen künstlerischen, könnte man annehmen. In der Posse um das sogenannte Mannheimer Loch gab es am 24. April 2015 ein Urteil. Das Landgericht Mannheim hat zwar die Werkqualität im Sinne des Urheberrechts anerkannt. Es kam dann allerdings zu dem Schluss, dass das Recht des Eigentümers des Gebäudes auf veränderte Nutzung in diesem Fall über dem Urheberrecht der Künstlerin rangiert. Die Stadt muss die Installation „HHole for Mannheim“ der Künstlerin Nathalie Braun Barends in der Kunsthalle Mannheim nicht wieder aufbauen lassen.

Ihr Werk – ja, es ist tatsächlich ein Loch – zog sich durch mehrere Stockwerke im Athene-Trakt des Museums, das zurzeit durch einen Neubau erweitert wird. Braun Barends stritt dafür, dass ihre Installation nach dem Umbau wieder aufgebaut wird. Die Stadt Mannheim lehnte dies jedoch ab. Nur einen Geldwert will man dem Kunstwerk zubilligen und Braun Barends eine „Restvergütung“ von 66.000 Euro zahlen. Die kann sie gleich in die Prozesskosten investieren.

Schon von Anfang an gab es Ärger mit dem Loch. Der damalige Museumsdirektor Rolf Lauter hatte Nathalie Braun Barends als Artist in Residence nach Mannheim eingeladen, 2006 konnte sie mehrere Werke in der Kunsthalle installieren. Dazu gehörte auch der massive Eingriff in das Gebäude. Aber Löcher sind allenfalls in Haushalten konsensfähig, nicht jedoch in Socken oder Zähnen und schon gar nicht in Museen. Das Loch gefährde die Besucher, hieß es. Die Bewachung des Lochs durch einen Feuerwehrmann kostete viel Geld. Die Schließung des Lochs mit einer Glasplatte war nicht im Sinne der Künstlerin. Die originale Wiederherstellung des Lochs nach einer Sanierung war aber ganz und gar nicht im Sinne der neuen Museumsleitung.

Also zog Braun Barends vor Gericht. Sie pochte auf ihr Urheberrecht und argumentierte auch ganz allgemein für eine Kunst, die sehr wohl nichts und großartig sein kann. Egal wie man zu ihrer Arbeit steht, sofort fallen einem Künstler ein, die das Nichts heiligten: Gordon Matta-Clark etwa, der Löcher in Gebäude fräste und heute als einer der wichtigsten Konzeptkünstler überhaupt gilt. Oder Piero Manzoni, der so etwas Nichtiges wie die eigenen Exkremente in Dosen versiegelte. Oder die gerade wieder gehypten Zero-Künstler, die im Nichts den Anfang von allem sahen.

Wirklich nihilistisch ist dagegen die Museumsdirektorin Ulrike Lorenz, die das Herrschaftsrecht auf Besitz bemüht und im vergangenen Jahr kühn verkündete: „Es gibt einen Kaufvertrag, wir sind die Eigentümer und haben das Recht, die Arbeit zu vernichten.“

Da gerät man doch etwas in Sorge über den Werteverfall in Mannheim und die Schätze der Museumssammlung. Landen bald auch Édouard Manets „Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko“ im Papierkorb und Umberto Boccionis futuristische Plastik „Einzigartige Formen der Kontinuität im Raum“ auf dem Sondermüll? Im Sinne der Kunstfreiheit – immerhin auch ein Grundrecht – ist es zu begrüßen, dass Nathalie Braun Barends erwägt, im Loch-Streit von Mannheim in die nächste Instanz zu gehen.

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